Teil 1: Warum wir mehr Frauen in Führung brauchen und was dafür nötig ist. 

Frauen in Führungspositionen sind in deutschen Unternehmen immer noch unterrepräsentiert. Die Führungsriege ist vornehmlich männlich dominiert. Über Lippenbekenntnisse und Teilzeitmodelle hinaus ist es den meisten Unternehmen bisher nicht gelungen, Frauen wirklich in Führung zu bringen. 

Hier die aktuellen Zahlen der Allbright-Stiftung aus ihrer Studie zum “deutschen Sonderweg”: 

  • 11 deutsche DAX-Konzerne haben immer noch einen rein männlichen Vorstand.
  • Zum internationalen Wettbewerb liegen deutsche Konzerne signifikant mit dem Frauenanteil im Top-Management zurück. Und das unabhängig von der Branche: von Fashion/ Retail über Delivery bis hin zu Semiconductor, Telekommunikation, Life Science und Bau.
  • Bei jedem dritten deutschen Börsenunternehmen ist »Null Frauen im Vorstand« der aktuelle Ist-Zustand. Von September ‘19 bis September ‘20 betrug der absolute Zuwachs an Frauen zwei(!) in den Vorständen der 160 deutschen Börsenunternehmen.

Um die notwendige Veränderung voranzutreiben, hat sich die Große Koalition im November 2020 auf eine Frauenquote für Vorstände geeinigt, das heißt: Ab 4 Vorständen muss mind. eine Frau dabei sein. Das soll für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen gelten. Lea-Sophie Cramer, Gründerin von Amorelie, beschreibt und belegt den möglichen Impact:

„Selbst die Konservativen könnten mitgehen, denn „mehr Frauen“ ist ein lohnender Business Case: 

  1. Diversere Teams machen 19% mehr Umsatz (BCG 2018)
  2. Von Frauen geführte Startups generieren für jeden in sie investierten Dollar 78 Cent Umsatz – Männer 31 Cent (BCG 2018)
  3. Unternehmen mit überdurchschnittlich gender-diversen Teams haben mit einer 15% höheren Wahrscheinlichkeit finanzielle Renditen über dem nationalen Branchen-Median       (McKinsey 2015).“ 

Wie kann es angesichts dieser Fakten sein, dass Frauen in deutschen Vorstandsgremien bis heute eine Zumutung zu sein scheinen? 

Denn gleichzeitig erfahren Gesellschaft und Unternehmen durch die Digitalisierung, die durch die Corona-Krise einen deutlichen Schub bekommen hat, eine komplette und disruptive Veränderung ihres Daseins. Die Geschwindigkeit steigt. Wir müssen uns stetig Veränderungen und Ungewißheiten stellen, neue Geschäftsmodelle innovieren und umsetzen – die bald überholt sein können. Das ist anstrengend, das erfordert hohe Flexibilität. Und es bedingt die Fähigkeit, Wissen zu bündeln und erfolgreich und ko-kreativ für neue Geschäftsmodelle und innovative Lösungen zu nutzen. Im Zeitalter der Industrialisierung hat ein autoritärer, transaktionaler Führungsstil noch funktioniert. Das Zeitalter der Digitalisierung hingegen, das mit Komplexität, rasanter Veränderungsgeschwindigkeit und Unsicherheit einhergeht, erfordert eine neue Art der Führung: Eine Führung, die Transformation durch vorbildliches Handeln, inspirierende Motivation, geistige Anregung und individuelle Berücksichtigung ermöglicht und diese nicht durch Festhalten an vermeintlichen Konventionen und Komfortzonen behindert. 

Ich durfte vor dem neuerlichen Lockdown im Rahmen eines „Female Leadership“ Seminars im Zen-Kloster Buchenberg einen Vortrag von Professorin Dr. Alexandra Jorzig hören. Sie betonte, dass die dynamische Entwicklung alle Unternehmen treffen wird. Ihrer Ansicht nach werden nur die Unternehmen überleben, deren Führungskräfte ihre Teams kompetent durch diese herausfordernden Zeiten führen und die sich bewusst sind, dass Weiterentwicklung nur noch mit geteiltem Wissen funktioniert. Denn kein einzelner Mensch weiß genug und hat den vollen Überblick, um der steigenden Komplexität gewachsen zu sein. Das vorhandene Wissen überholt sich schnell. 

Nur diejenigen Teams werden laut Prof. Jorzig zukunftsfähig bleiben, die bereit sind für einen permanenten Lernprozess, für persönliche Reifung, „Knowledge-Sharing“ und ko-kreatives Gestalten. Um diese Bereitschaft zu stimulieren, braucht es andere Kompetenzen als in der althergebrachten Art von Führung. 

  •  Es braucht Führungskräfte, die alle mitnehmen können: die Innovations-Euphoriker – aber auch die Mitarbeiter*innen, denen die neuen Technologien und die Veränderungsgeschwindigkeit Angst machen.
  • Es braucht Brückenbauer*innen, die zwischen Innovationstreibern und Stabilitätsträgern vermitteln und das Beste aus beiden Welten vereinen. 
  • Es braucht neue Formen des sozialen Umgangs – ein Fakt, der durch den Trend zum Home-Office eine weitere Dringlichkeit erfährt: Der Wunsch nach zwischenmenschlicher Wärme inmitten all der digitalen Technik nimmt zu.

Es sei „die Stunde der Frauen“, sagt Prof. Jorzig, denn diese brächten folgende Fähigkeiten von Haus aus mit: 

  • Die Fähigkeit, für ein soziales Miteinander zu sorgen und ein Team zusammenzuhalten.
  • Echtes Interesse an Menschen.
  • Demut dem/der einzelnen Wissensarbeiter*in gegenüber.
  • Die Fähigkeit, exzellente Fragen zu stellen und die Bereitschaft, die Rolle der Fragenden einzunehmen, um das vorhandene Wissen hervorzuholen und smart zu bündeln.
  • Flexibilität und Rundumblick.
  • Die Fähigkeit, ohne feste Hierarchien zu führen, mehr Freiheit zu gewähren und den Mitarbeiter*innen zu vertrauen.
  • Umsetzungskompetenz, weil Frauen andere gut mitnehmen können.

Die Frauen brauchen dafür:      

  • Den Mut, bestehende Strukturen und Vorgehensweisen zu hinterfragen und neue, wirksamere Formen der Zusammenarbeit zu gestalten.
  • Innere Stabilität und Gelassenheit, um auch bei Gegenwind standfest zu bleiben.
  • Souveränität und Selbstvertrauen, um sich nicht durch innere und äußere Zweifel aus dem Konzept bringen zu lassen.
  • Den Glauben an die eigenen Stärken, an die eigene Kompetenz und die Chuzpe, „einfach zu machen“, selbst wenn die innere Perfektionistin noch gerne die dritte Kontrollschleife drehen würde.
  • Die Geduld, sich in Stellung zu bringen und sich gut vorzubereiten auf diese neue Art der Führungsrolle, indem sie Kompetenzen auch im Kleinen zeigen.

All das strahlt ab und erzeugt eine Reputation als Führungskraft, der die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen folgen.

Aber: Es braucht natürlich auch das Commitment des Top-Managements, diese neue Art der Führung zu wollen und zu fördern. Denn wenn der neue Führungsstil von den Entscheidern an der Macht nicht wirklich gewollt, gelebt und gesteuert wird, wird die notwendige Veränderung unmöglich sein. Der Kopf muss innovativ genug sein, damit dieser Kurswechsel gelingen kann.

Denn: Reinen Frauenförderungsprogrammen sind Grenzen gesetzt. Es geht aus meiner Sicht gar nicht primär um „die Frauenfrage“, sondern darum, das weibliche und das männliche Prinzip so ausgewogen einzubringen, dass ein neues, menschlicheres Miteinander entsteht. 

Ich bin überzeugt, dass Unternehmen nur durch eine gute Balance zwischen männlichen und weiblichen Qualitäten im (Top-)Management den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sind. 

Unternehmen, die bewusst gelebte „Executive Diversity“ als essenziellen Erfolgsfaktor für Wertsteigerung und Wettbewerbsstärke einsetzen, werden zukünftig in Führung gehen, denn:

  • Diverse Teams agieren durch die Akzeptanz und Integration unterschiedlicher Sichtweisen, Ideen, Herangehensweisen und Erfahrungen deutlich erfolgreicher.
  • Sie verzeichnen eine höhere Retention hoch qualifizierter Frauen durch bewusstes Investment. 
  • Der Aufwand und die Kosten, um die Lücke zu schließen, wenn hoch qualifizierte Frauen sich in die Familie „verabschieden“, ist um ein Vielfaches höher als das bewusste Investment in die Frauen, die schon da sind. Das funktioniert nur, wenn Unternehmen die notwendigen strukturellen und kulturellen Veränderungen nachhaltig angehen: Firmen verändern sich erst ab einer Quote von mindestens 30% Frauen in Führung. 
  • Sie erhöhen Ihre strategischen Potenziale und Ihre Wachstumschancen durch eine neue Art der Zusammenarbeit.
  • Sie erfahren, wie Sie die besten Qualitäten aus verschiedenen Welten intelligent kombinieren: zum Beispiel Fokus, Stärke, Durchsetzungs- und Überzeugungskraft mit Offenheit, Beziehungskompetenz, Dialogbereitschaft, Empathie, Intuition und Vertrauen. Das sind die besten Voraussetzungen für Innovation, Ko-Kreativität und Commitment. Unternehmen, die gezielt auf Diversität setzen, erhöhen ihre strategischen Potenziale und Wachstumschancen. 

Wie ich Teams und Unternehmen dabei unterstütze und wie das ganz konkret aussehen kann, finden Sie hier:

Almadera Consulting – Female Leadership 

Im 2. Teil dieses Artikels wird es um „weibliche“ und „männliche“ Qualitäten gehen und wie diese wieder in ein harmonisches Gleichgewicht gelangen können, um eine neue, menschlichere Form der Zusammenarbeit zu gestalten. Stay Tuned!

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